Immer wieder wird nachgefragt, was ist eigentliche mit dem Streikrecht für BeamtInnen. Der aktuelle Sachstand:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in zwei
Urteilen gegen die Türkei das Koalitionsrecht des Art. 11 der
Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) neu ausgerichtet. Im
Grundsatz wurde das Recht auf Kollektivverhandlungen und auch das
Streikrecht von Art. 11 EMRK geschützt anerkannt. Der EGMR hat
insbesondere das Streikrecht geschützt sowie ein generelles Verbot des
Beamtenstreiks als einen Widerspruch zu Art. 11 EMRK gewertet. Fraglich
bleibt jedoch bei aller positiven Einschätzungen dieser Urteile, ob und
inwieweit sich daraus ein Streikrecht für Polizeibeamte ergeben kann.
Im Kern ist es nunmehr unstreitig, dass die auch von der Bundesrepublik
Deutschland ratifizierten völkerrechtlichen Verträge, wie der
´Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte` sowie der
´Internationale Pakt über irtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte´, das Recht auf Koalitionsfreiheit sowie das Recht zum Streik
beinhalten. Es ist darüber hinaus anerkannt, dass ein absolutes
Streikverbot, also auch eines für Beamte, die nicht im Namen des
Staates handeln und die nicht in wesentlichen und lebenswichtigen
Diensten beschäftigt sind, Art. 22 IPBRR, verletzen könnte.
Ein absolutes Streikverbot für Beamte würde im Übrigen nach
herrschender Meinung auch Art. 6 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta
zuwiderlaufen, denn durch die ESC sind ebenfalls auf europäischer Ebene
die beiden Säulen der kollektiven Beschäftigtenvertretung
(Koalitionsfreiheit und Streikrecht) normiert. Das Streikrecht ist in
den Mitgliedsstaaten des Europarats allgemein anerkannt.
Zum Beamtenstreik ist die Lage gleichwohl differenzierter. Wenn sich
auch die Bundesrepublik teilweise deutlicher Kritik ausgesetzt sieht,
ist festzustellen, dass es keine wesentlichen Stimmen gibt, die
jedenfalls auch den mit lebenswichtigen Aufgaben betrauten Beamten
unumwunden ein Streikrecht zubilligen. Da der EGMR grundsätzlich die
Einschränkung des Streikrechts für zulässig erklärt hat, kommt es auf
die Frage an, mit welchen Argumenten das Streikrecht ein Teil der
Beschäftigten vorenthalten wird. Dies gilt umso mehr, als das es gerade
kein ausdrückliches gesetzliches Streikverbot für BeamtInnen gibt,
wenngleich die ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG gegen
das Streikrecht für Beamte, jedenfalls vom EGMR, als rechtsetzend
bewertet wird. Der EGMR stellt klar, dass der Eingriff in das
Streikrecht nur bei Verfolgung eines legitimen Ziels zulässig ist. In
den zugrundeliegenden Entscheidungen wurden schlichte Hinweise der
Regierung auf das Ziel der Aufrechterhaltung der Ordnung mindestens
bezweifelt.
Im Ergebnis jedoch wird man Sicherheitserwägungen heranziehen, denn
der EGMR hat die hier zur Diskussion stehende Rechtauffassung u. a. auf
das sog. Pellegrin- Urteil aus dem Jahr 1999 abgestellt. Im
Pellegrin-Urteil hatte der EGMR auf eine Auffassung der Kommission
Bezug genommen, nach der sich die Kommission bei ihren Aktionen zur
Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte vorrangig auf diejenigen
Beamtenkategorien konzentrieren wollte, die soweit von den spezifischen
Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung entfernt sind, dass sie nur in
außergewöhnlichen Fällen unter die Ausnahme nach Art. 48 Abs. 2 EWG-V,
jetzt Art. 39 Abs. 4 EG, fallen. Dazu gehören u.a.: Einrichtungen der
Verwaltung, die mit kommerziellen Dienstleistungen betraut sind, das
öffentliche Gesundheitswesen, der Unterricht an staatlichen
Bildungseinrichtungen und die zivile Forschung.
Damit greift auch die jüngste Rechtsprechung abermals auf
Abgrenzungen und Beamtenkategorien zurück, die bereits seit 1988
gelten, mit der Folge, dass für nicht sicherheitsrelevante
Beamtengruppen ein Beamtenstreikrecht vor dem Hintergrund der jüngsten
Rechtsprechung sehr gut vertreten werden kann.
Da es aber unstreitig
sein dürfte, dass jeder Polizeibeamte eine sicherheitsrelevante
Dienstverrichtung ausübt, die im Übrigen auch im Wesentlichen nicht von
privaten Dienstleistern oder Angestellten der öffentlichen Verwaltung
identisch verrichtet wird, muss man im Ergebnis davon ausgehen, dass
eine gesetzliche oder höchstrichterliche Einschränkung des
Beamtenstreikes jedenfalls auf sicherheitsrelevante Beamtengruppen
rechtlich zulässig ist.
Autor:
Sascha Braun
– Justiziar des GdP-Bundesvorstandes –